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Digitale Nomaden

Unterwegs zur Arbeit

Zum Arbeiten nicht an den immer selben Schreibtisch gezwungen zu sein … Nicht regelmäßig in ein und demselben Büro aufploppen zu müssen – das ist für mich ein echtes Stück Freiheit. Das Verschwindendürfen und das Mobilseinkönnen haben mir mindestens zwei große Lebensträume erfüllt: Italienisch zu lernen. Und, mal ein ganzes Jahr in Italien gelebt zu haben.

Wie ich neulich schon geschrieben hatte, wollte ich seit der Schulzeit immer, immer, immer Italienisch lernen – ich war auf einem humanistischen Gymnasium, was bedeutet, dass zwei meiner insgesamt drei schulischen Fremdsprachen Latein und Altgriechisch waren. Räusper. Mit siebzehn Jahren durfte ich in meinem Austauschjahr in Kalifornien das erste Mal komplett in eine Fremdsprache, in eine fremde Kultur eintauchen. Erst da begriff ich, dass Sprachen Instrumente sind. Es war lebensverändernd. Und ich wollte mehr davon. Ich beschloss, auf genau dieselbe Art und Weise Italienisch zu lernen.

Keine Zeit für Italienisch

Aber nach der Schule hatte ich logischerweise null Zeit. Da stand mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr erstmal örtliche Verwurzelung auf dem Programm. Auch als ich gleichzeitig Studium und zwei Jobs jonglierte, vergrößerten sich weder Beinfreiheit noch Zeitressourcen signifikant. Wieder keine Zeit für Italienisch. Pünktlich zum erfolgreich bestandenen Studium verwirbelten die Nachwirkungen der geplatzten Dotcom-Blase und obendrauf die Bankenkrise die Märkte. Ich bündelte all meine Kräfte, um in diesem Dschungel trotzdem ein Pfauenrad für Arbeitgeber zu schlagen. Wieder keine Zeit für Italienisch.

Nach einigen Anstellungen (wieder keine Zeit für Italienisch) beschloss ich rund ums Jahr 2010, mein eigener Chef zu werden. Ich entschied mich für die komplette Selbständigkeit. Aber noch nicht fürs digitale Nomadentum.

Papierloses Büro

Papierloses Büro … sagt man das heute überhaupt noch? Vor 15 Jahren sprachen jedenfalls alle davon. Mit der fantastischen Unterstützung eines IT-Dudes designte ich mir als erstes einen zusammenklappbaren, tragbaren Arbeitsplatz. Er bestand aus zwei miteinander kompatiblen Digitalgeräten: Einem iPhone. Und einem MacBook Air. Ohne Werbung für amerikanische Megakonzerne machen zu wollen, hat sich dieses System für mich hervorragend bewährt. In Union mit einem passenden Telekom-Tarif, einem digitalen Steuerprogramm und einem unerschrockenen Steuerberater legte es den Grundstein, dass ich schließlich doch noch Italienisch gelernt habe.

Erstmal nach Berlin

So gerüstet wagte ich meine ersten Ausflüge weg vom immer selben Texter-Schreibtisch. Anfang der Zehner-Jahre verbrachte ich ziemlich viel Zeit in Berlin. Aus heutiger Sicht klingt das lustig, aber erst dort, also während ich schon remote (das Wort gab’s damals auch noch nicht) arbeitete, wurde mir klar, dass ich zum Arbeiten gar nicht in meiner eigenen Wohnung sitzen musste. Aber ich kam noch nicht von selbst auf den Gedanken, dass ich dann ja auch problemlos im Ausland arbeiten könnte.

Dank Liebeskummer fließend Italienisch

Dass ich längere Zeit auf Reisen gehen und meine Arbeit einfach mitnehmen könnte, das fiel mir wirklich erst auf, als ich mich – ultragenervt von meiner damaligen Beziehung – aus meinem Alltag wegwünschte. Erst da kam mir in den Sinn, dass ich ja meine beiden Geräte in einen Koffer packen und mich – statt nach Berlin zu gondeln –, auch mal für drei Monate in einer Sprachschule in Florenz einschreiben könnte.

Als Digitalnomadin an Paolas Küchentisch

Was ich schließlich auch tat: Mein erster Auftritt als original Digitalnomadin fand am Küchentisch von Paolas Altstadtwohnung statt (wobei ich aber ehrlich gesagt nicht weiß, ob Paola überhaupt wusste, dass ich eine digitale Nomandin bin. Ich wusste es nämlich nicht, denn der Begriff wurde erst einige Jahre später bekannt). Vormittags lernte ich in der Sprachschule ums Eck auf jeden Fall Italienisch. Ich sog die Schönheit dieser Sprache auf wie ein Schwamm.

„Äh, ciao!?“

Dazu nahm ich mit so vielen Menschen wie möglich Sprachkontakt auf: Im Supermarkt, im Tanzkurs, in einer Laufgruppe, auf der Piazza, im Park. Nicht wenige sahen mich etws scheel an, korrigierten mich freundlich oder waren oft auch nur genervt von meinem kindlichen Gestöpsel auf Italienisch. Aber das gehört meiner Meinung nach zum Prozess dazu. Ich hielt durch, wich nicht auf Englisch aus, biss mich durch die italienische Übersetzung von „Kafka sulla spiaggia“ und war unendlich stolz, meinen ersten 514-Seiten-Roman auf Italienisch gelesen zu haben. Ich registrierte mich auf RAI Play, um endlich italienische Schnulzen in der Originalfassung ansehen zu können, nur um später erfahren zu müssen, dass RAI Play in Deutschland leider nicht ausgespielt wird.

Nachmittags erledigte ich meine Textaufträge, telefonierte mit meinen Kundinnen und Kunden, schrieb Blogartikel und Social-Media-Postings. Dann machte ich mich an meine Italienisch-Hausaufgaben, googelte nach „cinema all’aperto“ und „aperitivo firenze“ (dem Ergebnis „Kitsch 2“ könnt ihr übrigens trauen) und setze mich mit einem Peroni auf die sommerwarmen Treppenstufen der Piazza della Santissima Annunziata.

Hausmauer auf die jemand Nomade gesprayt hat

Überall auf der Welt arbeiten

Diese traumhaften Monate in Florenz waren für mich der Proof of Concept, dass ich überall auf der Welt, wo’s WLAN gibt, arbeiten kann. Ein paar Konzeptverbesserungen kamen später noch dazu. Aber grundsätzlich führte meine digitale Organisation in direkter Konsequenz dazu, dass ich meine Komfortzone verlassen und mich ins Abenteuer C1-Level-Italienisch stürzen konnte. Mega Freiheit, sag ich doch.

Wo man überall texten kann

Seither bin ich das größte Fangirl des Digital-Nomadentums und habe bereits unzählige Orte in Arbeitsplätze verwandelt. Ich habe in Hipster- und in Nichthipster-Cafès getextet, mit halbem Hintern auf Balustraden aus weißem Marmor, in Bibliotheken, im Grünen, auf Schiffen, an Bahnhöfen und in Zügen. Dass ich inzwischen sogar auf Parkbänken texten kann, verdanke ich übrigens dem lieben Stefan. Sogar am Strand, hab ich’s versucht, schaut mal:

Seither weiß ich, dass der größte Feind des digitalen Nomaden das Sandkorn ist.

Ergonomie beim digitalen Nomadentum

Nicht verschweigen möchte ich euch übrigens, dass dem Traum vom Arbeiten auf Reisen vor allem eine Sache erheblich entgegensteht: die menschliche Anatomie. Mit gekreuzten Beinen auf der Liege unter einem Ombrellone zu sitzen und darüber nachzusinnen, welche Tonalität für einen deutschen Mittelständler wohl die beste sei, sieht zwar auf Fotos hübsch aus. Aber in der Realität führt sie zu verkürzten Hüftbeugern, zu Beckenschiefstand und zu üüüblen Schmerzen im Schulter-Nackenbereich.

Digitales Nomadentum und starke Gefühle für den Wirt

Und ich weiß ja nicht, wie ihr das seht. Aber wenn ich acht Stunden in einem einzigen Cafè sitzen und arbeiten würde, würde mich das schlechte Gewissen gegenüber dem Wirt beschleichen. Also klappe ich an einem durchschnittlichen nomadischen Arbeitstag den Rechner frühmorgens noch am Übernachtungsort auf und ballere die wichtigsten Tagesaufgaben weg. Falls ich darüber nicht komplett vergesse, rauszugehen, wechsle ich gegen zehn Uhr für ein, zwei Stunden ins Cafè. Wenn das schlechte Gastrogewissen, siehe oben, kommt, ziehe ich auf eine Parkbank (siehe oben) um. Falls mir dann das Kreuz noch nicht übel wehtut, wechsle ich ins nächste Cafè. Kurz vor Feierabend lande ich dann wieder am Küchentisch am Übernachtungsort. Um den Papierkorb zu leeren, ein Backup zu machen und meinen Rechner runterzufahren.

Tapetenwechsel statt Stehschreibtisch

Nach fast fünfzehn Jahren digitalen Nomadentums (die Zeit, in der ich noch nicht wusste, dass ich eine digitale Nomadin bin, rechne ich da mit) kann ich heute sagen, dass ein guter Schreibtisch und ein ordentlicher Bürostuhl auch für digitale Nomaden nicht das Schlechteste sind. Oder anders gesagt: Welcher Luxus ein Stehschreibtisch ist, das versteht man als digitaler Nomade intuitiv. Zur Entschädigung meines entäuschten Körpers packe ich Yogamatte und Laufschuhe stets als Erstes in den Koffer.

Aber was ich eigentlich sagen möchte: Ich bin unfassbar glücklich und dankbar, in einer Zeit zu leben, die mir so viel Lebendigkeit, so viel Lernen, so viele Erfahrungen ermöglicht. Ich habe mitgezählt: Morgen, am 23. September 2023, werde ich zusammengezählt 365 Tage allein in Italien gelebt haben.

Ich bin in der Doppelmission unterwegs, a) der schönen Kunst der Sprachjonglage ein Denkmal zu bauen und b) wertvolle Einblicke ins maximal durchtrivialsierte Leben einer Texterin zu eröffnen. Verpassen Sie keinen Bloqqartikel mehr und liken Sie Fräulein Bloqqa auf Facebook. Etwas weniger schillernd – aber immerhin auch social – geht’s auf LinkedIn und XING zu.

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